Review-Artikel
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Die Rettung naht aus der Luft – Drohnen in der Gesundheitsversorgung

Unbemannte Luftfahrzeuge (englisch Unmanned aerial vehicles, kurz UAVs) – landläufig besser bekannt unter dem Namen „Drohnen“ – wurden ursprünglich für militärische Einsatzzwecke entwickelt (1). Technologische Fortschritte bezüglich Soft- und Hardwarekomponenten, kostengünstigere Produktionsmöglichkeiten und regulatorische Veränderungen ebenen aktuell den Weg für innovative Einsatzszenarien wie beispielsweise die Warenauslieferung privater Versandhändler (2, 3).
Welche Einsatzmöglichkeiten bieten sich bereits heute in ambulanten und stationären Versorgungssettings des Gesundheitswesens für Leistungserbringer und welche zukünftigen Potentiale sind mit einem Drohneneinsatz auszuschöpfen?

als Transportmittel

Der Drohneneinsatz beschleunigt zeitkritische Transportvorgänge wie beispielsweise die Übermittlung von Blut- oder Gewebeproben von der Entnahme zum Labor. Auf diese Weise werden sowohl Transaktions- sowie Personalkosten minimiert. In besonderen Fällen wie einer Tumorresektion, deren Ablauf durch Ergebnisse der Laboruntersuchungen während der Operation bestimmt werden, kann der Drohneneinsatz die gesamte Operationszeit minimieren (4). Analog könnten in der Transplantationsmedizin Transportdrohnen zukünftig die Zeit bis zur Bereitstellung der Spenderorgane verkürzen (5). In Staaten mit einer defizitären Infrastruktur und geringer Besiedlungsdichte bieten zudem das Potential die logistische Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Medikamenten, Blutkonserven oder Impfstoffen sicherzustellen (1, 3, 6).
Während Epidemien können isolierte Regionen nicht nur mit Medikamenten, Impfstoffen und Produkten des täglichen Bedarfs beliefern (1, 4), sondern kontaktlos mobile, hoch automatisierter Labore vor Ort bereitstellen. Dies kann einer Ausbreitung von Infektionskrankheiten entgegenwirken (5). In von politischen Krisen oder Naturkatastrophen betroffenen Gebieten können kritische Parameter des Ausmaßes (bspw. Lage, Temperatur, Schadstoffbelastung) zudem analysiert (1, 3, 5), die medizinische Versorgung sichergestellt und ein Kommunikationsnetz aufgebaut werden (2).

in der Notfallversorgung

Im Vergleich zu herkömmlichen Rettungsmitteln können schneller und flexibler eingesetzt werden. Sie weisen eine gute Witterungsbeständigkeit auf und sind unabhängig vom Verkehrsaufkommen und vorhandenem Terrain einsatzbereit (1). Dies prädestiniert sie für die Nutzung in zeitkritischen Notfall-Situationen, die eine zeitnahe medizinische Versorgung von Personen erfordern. Zudem können das Sichten schwer zugänglicher Unfallszenarien als auch das Lokalisieren von Personen mittels Kamera oder Infrarottechnik unterstützen. Einsatzleiter sind in der Lage, Rettungs- sowie Bergungsaktionen „aus der Luft“ zu begleiten, zu bewerten und zu steuern (1). Exemplarisch kommen als Lieferant von Rettungsmitteln und Kommunikationsinstrument zum Einsatz (3). Gleichzeitig können zukünftig verstärkt für die Bereitstellung von (lebensrettenden) Medikamenten sowie Geräten (bspw. Defibrillatoren) eingesetzt werden (2, 3, 5, 7-9) und sind in der Lage, mit Patienten und Beteiligten in Notfallsituationen zu kommunizieren sowie bei der Entscheidungsfindung (bspw. Anwendung eines Defibrillators) zu unterstützen (10). Erste Tests der American Medical Association zeigen, dass eine mit einer Maximalgeschwindigkeit von 70 km/h nur ein Viertel der Zeit eines Krankenwagens vom Zeitpunkt des Absetzens eines Notrufs bis zum Eintreffen am Umfallort benötigt. Gleichzeitig belaufen sich die initialen Anschaffungskosten eines solchen Drohnentypus (mit einer Reichweite von 15 km) auf 15.000 € (11). Um in Deutschland eine flächendeckende Drohnenversorgung als Ersthelfer zu verwirklichen, ist ein kalkulierter Bedarf von 24.000 stationierten notwendig, um jedem Punkt des Landes innerhalb einer Minute zu erreichen. Neben der Frage um die Kostenübernahme bilden weitere Faktoren wie Verantwortlichkeit, Steuerung und Risikoübernahme zusätzliche Punkte, die einem flächendeckenden Einsatz derzeit gegenüberstehen.

Die Zukunft der in der Versorgung

leisten bereits heute einen wichtigen Beitrag zu mehr Versorgungsgerechtigkeit, indem sie räumliche Distanzen und Hindernisse effizienter überwinden (2, 5). Weitere Studien sind notwendig, um zum einen den medizinischen Nutzen der in der Versorgung nachzuweisen (3) und zum anderen die Kosten der technischen Ausstattung, des Personaleinsatzes, der Instandhaltung und des notwendigen Trainings genauer zu analysieren und anhand dessen zu optimieren (12).
Es gilt, ethische Grundsätze im Kontext eines Drohneneinsatzes zu definieren und eine Aktualisierung regulatorischer Anforderungen an eine zivile Nutzung von im Rahmen der Gesundheitsversorgung vorzunehmen. Zentral sind Aspekte der Sicherheit wie der Datenschutz, Haftungsfragen und die Unfallvermeidung (4, 5). Weiterhin ist es notwendig, Bevölkerung und professionelle Anwender über Vorteile, Risiken und Voraussetzungen des Umgangs mit zu informieren (5, 9, 12). Für Anwender ist zusätzliche eine umfangreiche Schulungsstruktur essentiell, um die verfügbaren Potentiale eines Drohneneinsatzes umsetzen zu können.

1. Braun J, Gertz SD, Furer A, Bader T, Frenkel H, Chen J, et al. The promising future of drones in prehospital medical care and its application to battlefield medicine. Journal of Trauma and Acute Care Surgery. 2019;87(1): 28-S34. zum Original
2. Carrillo R, Moscoso Porras M, Taype-Rondán A, Ruiz-Alejos A, Bernabe-Ortiz A. The use of unmanned aerial vehicles for health purposes: a systematic review of experimental studies. Global Health, Epidemiology and Genomics. 2018;3. zum Original
3. Konert A, Smereka J, Szarpak L. The Use of Drones in Emergency Medicine: Practical and Legal Aspects. Emerg Med Int. 2019;2019:3589792. zum Original
4. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. … mit Unbemanntes Fliegen im Dienst von Mensch, Natur und Gesellschaft. 2019. zum Original
5. Ackerman E, Koziol M. The blood is here: Zipline’s medical delivery drones are changing the game in Rwanda. IEEE Spectrum. 2019;56(5):24-31. zum Original
6. Poljak M, Šterbenc A. Use of drones in clinical microbiology and infectious diseases: current status, challenges and barriers. Clinical Microbiology and Infection. 2019. zum Original
7. Claesson A, Bäckman A, Ringh M, Svensson L, Nordberg P, Djärv T, et al. Time to Delivery of an Automated External Defibrillator Using a Drone for Simulated Out-of-Hospital Cardiac Arrests vs Emergency Medical Services. JAMA. 2017;317(22):2332-4. zum Original
8. Mateen FJ, Leung KHB, Vogel AC, Cisse AF, Chan TCY. A drone delivery network for antiepileptic drugs: a framework and modelling case study in a low-income country. Trans R Soc Trop Med Hyg. 2020. zum Original
9. Nehme Z, Andrew E, Bernard S, Haskins B, Smith K. ‘Reply to:’ Can drones improve survival rates in mountain areas, providing automated external defibrillators? Resuscitation. 2019;146. zum Original
10. Sanfridsson J, Sparrevik J, Hollenberg J, Nordberg P, Djärv T, Ringh M, et al. Drone delivery of an automated external defibrillator – A mixed method simulation study of bystander experience. Scandinavian Journal of Trauma, Resuscitation and Emergency Medicine. 2019;27. zum Original.

11. Defi dabei: virmal schneller als ein Krankenwagen Ingenieur.de. 2017. zum Original
12. Ochieng W, Ye T, Scheel C, Lor A, Saindon J, Yee S, et al. Uncrewed aircraft systems versus motorcycles to deliver laboratory samples in west Africa: a comparative economic study. The Lancet Global health. 2020;8:e143-e51. zum Original

 

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