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Wie Serious Games das Gesundheits- und Pflegesystem entlasten können

Videospiele finden längst ihren Weg aus der Unterhaltungsindustrie in den Gesundheitssektor (1). Mit sogenannten können gesunde Menschen in der Gesundheitsförderung und kranke Menschen bei Therapien unterstützt werden (1, 2). Besonders relevant kann dies für Hochbetagte sein, um ein gesundes Altern zu ermöglichen (3). Durch mehr Bewegung und Aktivierung werden die kognitiven und geistigen Fähigkeiten gestärkt. Demzufolge bleiben ältere Menschen länger mobil und ermächtigt ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wie kann das Gesundheits- und Pflegesystem durch den Einsatz von präventiven entlastet werden?

Kompression der in die Zukunft

Gesundheits- und Pflegeleistungen sind knappe Güter (4). Zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten und flächendeckenden Versorgung der gesamten Bevölkerung müssen diese Güter effizient eingesetzt werden. Aufgrund der demographischen Entwicklung in Deutschland werden Pflegeplätze bei ambulanten und stationären Versorgern zukünftig sehr knapp sein (5). Der Pflegereport der Bertelsmann Stiftung beziffert die Lücke der Pflegenden im Jahr 2030 mit rund 500.000 Menschen in dieser Berufsgruppe (6). Grund ist unter anderem der mit der Demographie einhergehende Rückgang der Pflegekräfte (7). Es gibt jedoch theoretische Annahmen, um den Nachfrageanstieg nach Pflegeleistungen zu bremsen. Die besagt, dass aufgrund der steigenden Lebenserwartung im Zusammenhang mit einer gesunden Lebensweise und dem medizinischen Fortschritt die des Menschen zum Ende des Lebens geringer ausfällt (8). Der Treiber dieser Theorie ist eine umfassende Primärprävention. Gaming-Instrumente wie können Teil dieser Präventionsstrategie sein (1), um gesundes Altern zu unterstützen und Aufwendungen im Gesundheits- und Pflegesystem potentiell zu reduzieren (8), wie Abbildung 1 zeigt.

Zusammenhang Kompressionsthese bei Nutzung präventiver Serious Games

Abb. 1: Zusammenhang der bei Nutzung präventiver Serious Games, eigene Darstellung nach (8).

Breites Anwendungsspektrum von

Die Zielgruppen für lassen sich anhand des Gesundheitszustandes segmentieren:

  1. Personen, die keine gesundheitlichen Einschränkungen aufweisen (1, 2). Sie können Gaming zur Gesundheitsförderung oder zum Gesundheitsmonitoring im Freizeitsport oder beim professionellen Training einsetzen.
  2. Patienten, die bereits an einer Erkrankung leiden oder potenzielle Risiken aufweisen. Sie können ebenfalls fürs Gesundheitsmonitoring, aber auch zur Krankheitserkennung, Therapie oder zur Rehabilitation einsetzen (1, 3). In Abbildung 2 sind die Anwendungsfelder in Abhängigkeit des Gesundheitsstatus dargestellt. Sie können analog des Continuum of Care-Ansatzes mit den Feldern Aufklärung, Prävention, Behandlung und Wiederherstellung betrachtet werden.

Klassifizierung der Anwendungsgebiete von Serious Games

Abb. 2: Klassifizierung der Anwendungsgebiete von nach Gesundheitsstatus, eigene Darstellung nach (1).

Effektiver Einsatz für gesundes Altern

Studien belegen, dass beim Einsatz von ein guter Gesundheitszustand länger erhalten bleiben kann. Hier kann unter anderem zwischen physischen Aktivitäten und kognitiven Aktivitäten unterschieden werden (3). Beim physischen Übungsspiel Fitness Farm zeigten sich signifikante Verbesserungen bei den Bewegungsgewohnheiten und der sozialen Interaktion. Beim kognitiven Übungsspiel Cook it Right konnte eine signifikante Ausprägung unter anderem bei der hedonistischen Motivation (Genuss- und Sinnesanregung) und einer Verbesserung der erwarteten Performance belegt werden (3). Infolgedessen wurde die Häufigkeit der Bewegungsaktivität der Probanden erhöht, deren geistige Fähigkeiten trainiert und ein genereller Anreiz geschaffen, sich weiterhin mit den eigenen physischen und kognitiven Skills zu beschäftigen. In einer Übersichtsarbeit über verfügbare in Bezug auf Gesundheit wurde gezeigt, dass die Mehrheit der Spiele für den PC entwickelt wurden, gefolgt von der Konsole und mobilen Handgeräten (1). Dabei ist die Maus das wichtigste Interaktionsmedium, aber auch Konsolen-Controller, Kameras und Sensoren werden genutzt. Etwa 60% der können in 3D gespielt werden (1). Bei den Spielen handelt es sich unter anderem um Simulationen, Puzzles, Quiz oder Aktionsspiele. Dabei handelt es sich in 89% der Fälle um für Einzelspieler und bei 11% für Mehrspieler.

Präventionsangebote für Hochbetagte schaffen

In der heutigen Versorgung spielen keine besondere Rolle, obwohl sie einen hohen Nutzen haben können. Als Präventionsinstrument können sie bei Hochbetagten zu einem längeren selbstständigen Leben Zuhause führen, infolge der eigenen kognitiven Fähigkeiten und der Bewegungsaktivität. Daher sollten Kostenträger den Einsatz von gezielt fördern. Hausärzte sollten besondere außerbudgetäre Beratungspauschalen abrechnen können und zertifizierte sollten in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen werden. Zudem sollte pflegerisches Personal oder ehrenamtliche Betreuungspersonen von Hochbetagten Kurse anbieten oder als Weiterbildungsprogramme nutzen, um über die Nutzung von informieren zu können (9).

Präventionsangebote für Hochbetagte schaffen

Mit nachhaltig eingesetzten kann der Gesundheitszustand Hochbetagter länger auf einem hohen Niveau gehalten werden, wenn sie als Präventionsinstrument zur Stärkung der körperlichen und geistigen Fitness angewendet werden. Dadurch wird ein längeres Leben im eigenen häuslichen Umfeld ermöglicht und Pflegebedürftigkeit reduziert bzw. in die Zukunft verschoben. Infolgedessen kann das Gesundheits- und Pflegesystem nachhaltig entlastet werden. Dies betrifft einerseits die Ausgaben für Gesundheits- und Pflegeleistungen, die durch eine geringere Leistungsinanspruchnahme entstehen. Andererseits findet auch eine Ressourcenschonung statt, wenn weniger medizinisches Personal in der Versorgung gebunden ist. Besonders im Hinblick auf den Fachkräftemangel in der pflegerischen Versorgung könnten eine zielführende entlastende Präventionsmaßnahme sein.

  1. Wattanasoontorn V, Boada I, García R, Sbert M. for health. Entertainment Computing. 2013;4(4):231-47. Zum Original
  2. Laamarti F, Eid M, El Saddik A. An Overview of Serious Games. International Journal of Computer Games Technology. 2014;2014:358152. Zum Original
  3. Brauner P, Ziefle M. Social acceptance of for physical and cognitive training in older adults residing in environments. Journal of Public Health. 2022;30(1):63-75. Zum Original
  4. Gaynor M. Competition and Quality in Health Care Markets. Foundations and Trends® in Microeconomics. 2007;2(6):441-508. Zum Original
  5. Hentschel C, Bettermann M. Was kosten Krankheit und Pflegebedarf? In: Hentschel C, Bettermann M, editors. Alt – Krank – Blank? Worauf es im Alter wirklich ankommt. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg; 2015. p. 63-87. Zum Original
  6. Stiftung B. Themenreport Pflege 20302012. Zum Original
  7. Nowossadeck S. Demografischer Wandel, Pflegebedürftige und der künftige Bedarf an Pflegekräften. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz. 2013;56(8):1040-7. Zum Original
  8. Fries JF. The compression of morbidity. 1983. Milbank Q. 2005;83(4):801-23. Zum Original
  9. Dütthorn N, Hülsken-Giesler M, Pechuel R. Game Based Learning in Nursing – didaktische und technische Perspektiven zum Lernen in authentischen, digitalen Fallsimulationen. In: Pfannstiel MA, Krammer S, Swoboda W, editors. Digitale Transformation von Dienstleistungen im Gesundheitswesen IV: Impulse für die Pflegeorganisation. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden; 2018. p. 83-101. Zum Original
  10. Drummond D, Hadchouel A, Tesnière A. for health: three steps forwards. Advances in Simulation. 2017;2(1):3. Zum Original
  11. Göbel SM, Ralph for Health: The Potential of Metadata. Games for Health Journal. 2017;6(1):49-56. Zum Original
  12. Wallenburg I, Bal R. The gaming healthcare practitioner: How practices of datafication and reconfigure care. Health Informatics Journal. 2018;25(3):549-57. Zum Original

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Innovation im Gesundheitswesen
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